Drücken und verzweifeln

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Unlängst über diese Artikel gestolpert: belustigt darüber hatte ich doch vor Wochen gleiches erlebt. Da hatte sich, neben mir, ein gestresster Passant über diese Ampel geärgert.

#Bith

Warum reagiert die Ampel nicht auf meinen Knopfdruck? Das fragen sich täglich unzählige Menschen, die zu Fuss eine Strasse überqueren wollen.

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Viele Kreuzungen sind gespickt mit kleinen, gelben Kästchen, die sich auf Bauchhöhe an Ampelpfosten befinden. Sie sind Schauplatz täglichen Ungemachs und Fehlverhaltens; sie zeigen uns eine Gesellschaft, die mit dem Kopf überall ist, nur nicht an Ort und Stelle.

Ständig sind Fussgängerinnen und Fussgänger zu beobachten, die am Zebrastreifen auf Grün warten, nachdem sie auf den gelben Kasten gedrückt haben. Aber das Grün kommt nicht, weshalb sie noch mehrere Male drücken. Das ist allerdings unsinnig, denn das Kästchen hat keinen Druckknopf.

Die Tücke liegt im ähnlichen Aussehen

Was die Ungeduldigen nicht erkennen: Die Mehrzahl der gelben Boxen ist nicht zum Drücken da, sondern zum Spüren von Vibrationen auf der Unterseite. «Taktile Signalgeber» heissen diese Apparate, installiert für blinde und sehbehinderte Menschen. Wer nicht genau hinschaut, verwechselt sie mit den sogenannten Fussgänger-Drückern, die tatsächlich das grüne Lichtsignal auslösen.

Die Tücke rührt vom ähnlichen Aussehen her: Beide Apparate sind leuchtend gelb und haben dieselbe Form. Ihr Unterschied: Der Signalgeber hat ein blaues Feld mit weisser Figur und weissem Stock – sofern das Signet nicht abgekratzt ist. Der Fussgänger-Drücker hat getreu seinem Namen einen Druckknopf – in Rot.

Während Sie warten, dass die Ampel endlich auf grün schaltet, berühren Sie einmal die Unterseite der gelben Blindenampel: wenn das Gerät anfängt zu vibrieren, dürfen Sie die Strasse überqueren. Sehen Sie die weissen Schraffuren auf dem Trottoir? Auch diese Indikationen sind bewusst für Sehbehinderte angebracht und können dank der Beschaffenheit als Relief mit dem Blindenstock ertastet werden.

Übrigens, die rote Ampel ist weltweit immer oben angeordnet. Dies ist vor allem für Personen mit Farbenfehlsichtigkeit enorm hilfreich. Bei horizontalen Lichtsignalen gibt es jedoch kulturelle Unterschiede.

In der Innenstadt sind Knöpfe selten

Fussgänger-Drücker gibt es viel weniger; in der Innenstadt sind sie gar selten. Die roten Knöpfe für grünes Gehen sind an Ampeln im Einsatz, die isoliert stehen, oder an stark befahrenen Hauptstrassen, wo der Zebrastreifen von wenig Leuten benützt wird. Hätten diese nicht den roten Knopf, würden sie sich die Füsse plattstehen, bis ein Auto in der Kolonne hält.

Passiert nichts, vermuten die Fussgänger, sie seien zu lieb gewesen. Also drücken sie noch mehrere Male mit grosser Härte.

TA: Beitrag & Meinung von Jürg Rohrer 23.01.2020


Aber auch der rote Knopf hat seine Tücken. Manchmal reagiert das Lichtsignal blitzschnell, manchmal um eine halbe Ewigkeit verzögert. Passiert nichts, vermuten die meisten Fussgänger, sie seien zu lieb gewesen. Also drücken sie noch mehrere Male mit grosser Härte – in der Annahme, der Knopf brauche strenge Erziehung. Das sind dann die Momente, wo sie sich fragen, ob die rot-grüne Regierung ernsthaft den Langsamverkehr fördert.

Doch die verzögerte Reaktion hat Gründe: Einerseits geniesst der öffentliche Verkehr Vortritt, und der Bus muss erst vorbei, bis das Grün für die Fussgänger aufleuchtet. Anderseits gibt es für die Autos Grünphasen mit einer Mindestdauer.

Grosse, komplizierte Kreuzungen mit viel Publikum wie das Bellevue haben ohnehin keine Drücker, sondern automatische Fussgängerphasen. Sonst wäre ständig jemand am Drücken, und die Autos stauten sich bis Chur und Luzern.

Aktuell

Die Stressreaktion wäre wohl während der Coronakrise nicht eingetreten, hätte er doch aktuell viel Zeit sich die Ampel genauer anzuschauen..,

Erstellt: Bith

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